Alles Energie, oder was?

 

Eines sag‘ ich euch gleich:

Auch in Zukunft werden die Hauptsätze der Thermodynamik aller Voraussicht nach ihre Gültigkeit behalten. Wie jetzt, Thermo…was?! Nun ja, eines dieser Naturgesetze, denen wir zwangsweise unterworfen sind… wenn wir unseren Motor starten, wenn wir morgens aufstehen, nachts schlafen; wenn Patrick Stewart „Energie!“ in die Kamera befiehlt; wenn Data’s Akku leer ist oder Du die Stromrechnung nicht bezahlt hast.

Immer noch nicht?

Naja, dann vielleicht so: Thermodynamik

Schon gut, vielleicht doch nicht. Das Wichtigste der Thermodynamik habe ich mir immer à la „Lieschen Müller“ merken können:

  1. Von nix kommt nix! (Oder: Du kannst keine Energie für dich nutzbar machen ohne vorher welche investiert zu haben. Ergo: bevor Du Dein Auto nicht per Anlasser gestartet hast, fährst Du nirgendwo hin)
  2. Du kannst aus Sch**** kein Gold machen! (Oder: Von der Energie, die Du nutzen möchtest, wirst Du nie 100% erhalten)

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Jetzt klar? Gut. Ihr sagt jetzt: Ja und? Das wussten wir auch ohne Dich. Komm‘ zum Punkt!

Ja, ja! Sofort!

Es geht um Deine Energie, unser aller Energie; und zwar die, die wir verbrauchen… (oh Mann, und jetzt gucken mich Carnot, Mayer, Joule, Clausius, Gibbs und Helmholtz auch noch schräg an); natürlich nicht verbrauchen, denn das ist ja aller Weisheit nach nicht möglich, sondern gebrauchen.

Jaja, der Strom kommt aus der Steckdose, die Wärme aus der Heizung und das Benzin (oder Diesel, danke Rudolf) aus der Zapfsäule… Nein! Natürlich nicht! Äh, ja doch – aber wie kommt er/sie/es da hin?

Also, eine Theorie besagt, dass des Nachts kleine, ulkig dreinschauende Männchen mit bunten Zipfelmützchen kichernd aus ihren Häuschen steigen und…

Schon gut! Schon gut! Ich hab’s ja kapiert. Die Energie kommt im Wesentlichen aus dem Kohlekraftwerk, der Bohrinsel oder dem AKW um die Ecke (usw., usw.). Und, seit einigen Jahren, mit steigender Tendenz erfreuen wir uns der erneuerbaren Energien. Aus Lokalpatriotismus nenne ich noch die Kernfusion ohne sie weiter zu beachten, auch wenn einige Menschen bei schierer Erwähnung des Wendelstein 7-X einem pawlowschen Neufundländer-Rüden ungemein ähnlich sehen. Wer weiß, ob die jemals mehr als einen heißen Pups produzieren, denn auch der Wendelstein muss sich den Naturgesetzen unterwerfen.

Im Hinblick auf den anthropogenen Klimawandel, von dem niemand genau sagen kann, wie groß der Impact (ich lieb dieses Wort, es ist so schön martialisch) des Menschen eigentlich ist oder in Zukunft sein wird, sind die zuerst genannten, fossilen Energieressourcen Kohle, Erdöl, Erdgas wohl zweifelsohne die Hauptverursacher von anthropogenen Treibhausgasen (Anmerkung: Der Kuhpups ist auch ziemlich in Verruf geraten. Da ich hier Energiegewinnung allerdings nicht auf Nahrungsaufnahme beziehe, kommt die Kuh diesmal ungeschoren davon).

Ach übrigens, mal eingeschoben: für den (natürlichen) Treibhauseffekt sollten wir mehr als dankbar sein. Er beschert uns eine angenehme Durchschnittstemperatur von 15°C auf der Erde. Verursacht wird er im Wesentlichen von Wasserdampf (zwischen 30-70%) und Kohlendioxid (ca. 9-30%), welche von der Erde abgestrahlte Wärmeenergie zurück auf die Erdoberfläche reflektieren. Ohne diesen natürlichen Effekt betrüge die Durchschnittstemperatur der Erde -18°C und das Leben, wenn es denn welches gäbe, sähe sicher anders aus. Wenn wir also von Klimawandel (oder Katastrophe) sprechen, meinen wir die Verstärkung des Treibhauseffektes durch Treibhausgase, die originär menschlicher Aktivität zuzuordnen sind.

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Deshalb ist „Erneuerbar“ das Schlagwort der zukünftigen Energiegewinnung.

In der aktuellen Studie des Umweltbundesamtes zu Emissionsbilanzen erneuerbarer Energien heißt es, „dass der Ausbau erneuerbarer Energien wesentlich zur Erreichung der Klimaschutzziele in Deutschland bei trägt.“ (MEMMLER et al 2013). Die Emissionsvermeidung durch erneuerbare Energien betrüge in 2012 145 Mio. t CO2 Äquivalente. Das sind umgerechnet ca. 5.800.000 LKW-Auflieger; voll beladen. Schwer vorstellbar. Anders: Das ist circa so viel, als senke man den Bodensee um 2,70 m ab (der Einfachheit setze ich mal hier voraus, der Bodensee wäre ein überdimensionales Schwimmbecken mit senkrechten Seitenwänden). Die CO2-Emission für 2012 betrug laut Umweltbundesamt in Deutschland 940 Mio. t CO2 Äquivalente. Für 2013 ist ein Anstieg um 1,2 % prognostiziert. Zum Vergleich müssten wir den Bodensee für diese Menge um ca. 17,50 m absenken. Bis 2020 sollen es laut Kyoto Protokoll noch 750 Mio. t CO2 Äquivalente sein, das entspräche einer Bodenseeabsenkung von ca. 14 m.

640px-Deutschland_Übersichtskartehttp://de.wikipedia.org/wiki/Museen_in_Deutschland#mediaviewer/File:Deutschland_Übersichtskarte.png (verändert)

Wieso diese irre Zahlenjonglage?

Die Zahlen klingen unvorstellbar groß, verglichen mit dem Volumen der Atmosphäre (über Deutschland), wirken sie nahezu verschwindend gering. Und das ruft in schöner Regelmäßigkeit die Klimaschutzkritiker auf den Plan. Sie argumentieren, dass so ein verschwindend geringer anthropogener Anteil (der Gesamtgehalt CO2 in der Atmosphäre beträgt nur 0,03 Vol.-%) in keinem Falle Auswirkungen auf das Klima haben könne. Naja, also es stimmt, der Anteil des Kohlendioxid ist zweifellos sehr gering, allerdings ist es durch seine lange, relative Verweildauer in der Atmosphäre sehr effektiv in der Klimaerwärmung. Letztlich ist trotzdem nicht restlos geklärt, wie groß die Auswirkungen des CO2 tatsächlich sind.

Also, was sollen wir tun?

Zu diesem Thema hat Prof. Dr. Harald Lesch, den ich neben seiner Fähigkeit komplexe Themen anschaulich darzustellen auch noch sehr unterhaltsam finde, schon mal eine interessante Frage aufgeworfen, die ich hier sinngemäß wiederholen möchte:

Man stelle sich vor, man stünde mit seiner Familie vor einem großen, zugefrorenen See. Zwei Personen stehen an diesem See (nur für die Pedanten wie ich einer bin: sie sind in ihrer Vertrauenswürdigkeit ebenbürtig). Person 1 sagt: „Es ist sicher den See zu überqueren!“ Person 2 entgegnet: „Auf keinen Fall! Es ist gefährlich und ihr könnt einbrechen und ertrinken! Aber es gibt einen Weg um den See herum.“ Was würdest Du tun? Genau, ich auch. Und deshalb ist es gut zu wissen, dass wir an Effizienzschrauben drehen, neue Energiequellen suchen (aber doch nicht Fracking!), ausbauen und Ressourcen schonen. Moment mal. Ressourcen schonen? Stimmt das?

Ernüchternd fand ich diesbezüglich einen Beitrag der Fernsehsendung „Alles Wissen“, die zeigte, dass aufgrund höherer Effizienzen bei der Energieausbeute (z.B. Auto) zwar der Ressourcenverbrauch stark sinken sollte, real aber nur unwesentlich eine Senkung zu verzeichnen sei. Woran liegt’s? Ich sag’s euch (während ich meine Schreibtischlampe abschalte), es ist keine große Zauberei: weil doch jetzt alles so schön effizient und ressourcenschonend ist – Autos verbrauchen nur noch 5 l, Biostrom, Biowarm, Bio, Bio, Bio… – da hauen wir noch mal richtig in die Tasten und konsumieren mit einem lautstarken „Whoohoo!“ bis der Arzt kommt. Ja und dann? Ja dann is‘ eben Essig mit ressourcenschonend. Beim lautstarken Ruf nach erneuerbaren Energien und Ressourcenschonung vergessen wir doch immer wieder den Riesenbalken in unserem Auge, der erheblich die Sicht auf uns selbst versperrt.

Wir haben noch gar nicht an einer wichtigen Schraube gedreht: an uns selbst!

Ganz egal nämlich, welche Energie wir auch immer nutzen werden, jede hat Vorteile (effizient, erneuerbar, klimaneutral, sauber), aber auch Nachteile (Nuklearmüll, Treibhausgas-Emissionen, Endlichkeit, Zerstörung des Landschaftsbildes). Es gibt kein Perpetuum mobile (siehe Thermodynamik)Energie gibt es nicht zum Nulltarif.

Und deshalb hat für mich Peter Lustigs Standard-Löwenzahn-Abschieds-Satz noch heute Gültigkeit: Abschalten! Die einfachste Art sich ressourcenschonend zu verhalten ist abzuschalten. Einfach mal ausmachen. Einfach mal nachdenken, was nötig ist. Bewusst sein. Das heißt nicht, dass wir asketisch auf einem Nagelbrett in der Ecke hocken müssen oder wir unseren kompletten Fortschritt zum Mond schießen sollten. Aber: Ist es nötig, die Sonntagsbrötchen mit dem Auto zu holen? Ist es nötig, die Wohnung komplett zu beleuchten, obwohl Du seit Stunden nur in einem Zimmer hockst? Ist es nötig im Winter auf T-Shirt Niveau zu heizen? Viele Fragen dieser Art kann man sich stellen. Und, eines ist mal auch klar: ich bin kein Heiliger! Auch ich stelle mir die Fragen immer und immer wieder von neuem und nicht immer fällt die Antwort zugunsten der Sparsamkeit aus. Das ist auch Mensch sein.

Wir sind, wer wir sind. Wir tun, was wir tun.

Wir haben Schwierigkeiten das Reißverschlusssystem auf der Autobahn zu begreifen. Dennoch, die Lernkurve ist aufwärts gerichtet.

Und genau deshalb bin ich guter Hoffnung, wenn wir anfangen bewusst mit unseren Ressourcen umzugehen.

Holger Burgardt

Quellenverzeichnis